Nationale Sicherheitsstrategie – Fragen an ChatGPT

Als Reaktion auf ein verändertes sicherheitspolitisches Umfeld, eine zunehmende Multipolarität, Bedrohungen für die Demokratie, Gesellschaft und Wirtschaft und die Auswirkungen der Klimakrise hat die Bundesregierung am 14. Juni 2023 die Nationale Sicherheitsstrategie beschlossen. Sie soll die Antwort auf diese Herausforderungen und zum Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger sein.

Im Großen und Ganzen handelt es sich um ein All-Inclusive-Sicherheitspaket, der alle Aspekte des Lebens der Bürger direkt oder indirekt adressiert. „Es geht nicht allein um die Verteidigung und die Bundeswehr“, erläuterte Kanzler Scholz. Es gehe vielmehr „um die ganze Palette unserer Sicherheit – über Diplomatie genauso wie Polizei, Feuerwehr und Technische Hilfswerke, über die Entwicklungs-Zusammenarbeit, über Cyber-Sicherheit und über die Resilienz von Lieferketten.

Die Strategie, so Scholz, sei nicht „Endpunkt, sondern Ausgangspunkt“ für einen kontinuierlichen Prozess, bei dem alle staatlichen Ebenen für eine dauerhafte Stärkung der Sicherheit zusammenwirken – aber auch die Wirtschaft und Gesellschaft. Die Nationale Sicherheitsstrategie, so Außenministerin Baerbock, richtet sich nicht nur an die Bundesregierung, sondern an die gesamte Gesellschaft.

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem gesamten Inhalt des Strategiepapiers ist sicherlich die Mühe wert. Ich glaube jedoch, dass der mündige Leser das gesamte Sicherheitsstrategie-Dokument unter diesem Link in Ruhe studieren und selbst seine Schlussfolgerungen daraus ziehen kann.

Daher werde ich hier die Aufmerksamkeit lediglich auf einige wenige Formulierungsnuancen im Text richten. Bei der Analyse greife ich auf die neuste technologische Errungenschaft der Menschheit – ChatGPT – als Hilfsmittel zu. 

Im Kapitel „Resilient: Die Sicherung unserer Werte durch innere Stärke. Schutz und Stärkung unserer Demokratie“ des Strategiepapiers lesen wir folgendes:

„Zu den größten Errungenschaften unserer pluralistischen Demokratie gehören der Schutz und die gegenseitige Anerkennung vielfältiger, auch einander widersprechender Überzeugun­gen und Meinungen.

„Zur Förderung von Demokratie und um den Bedrohungen durch Extremismus jeglicher Art, insbesondere den Rechtsextremismus, wirkungsvoll entgegenzutreten, erarbeitet die Bundesregierung eine Gesamtstrategie für eine starke, wehrhafte Demokratie und eine offene und vielfältige Gesellschaft.

„Die Bundesregierung wird mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit sicherstellen, dass transparente, verlässliche Information über Regierungshandeln einfach zugänglich ist, um relevante mediale Räume nicht Desinformationskampagnen zu überlassen.“

„Die Bundesregierung wird anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung zum Thema Desinformation verstärkt fördern. So werden wir Angebote zur Stärkung der Digital-, Daten- und Medienkompetenz vorlegen und gemeinsam mit den Ländern Konzepte zur Resilienzsteigerung in Bildungseinrichtungen erarbeiten.“

„Um die Verbreitung radikalisierender Inhalte über das Internet zu verhindern, müssen rechtswidrige Inhalte noch schneller identifiziert und gelöscht werden. Die Urheber müssen ermittelt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.“

Ich möchte ChatGPT mit einigen der oben gelisteten Formulierungen konfrontieren. Da ChatGPT auf keine Daten nach September 2021 zugreifen kann, habe ich die Frage an die generative KI wie folgt formuliert:

Frage an ChatGPT:

Lies bitte folgenden Text: Die Regierung wird mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit sicherstellen, dass transparente, verlässliche Information über Regierungshandeln einfach zugänglich ist, um relevante mediale Räume nicht Desinformationskampagnen zu überlassen. Die Regierung wird anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung zum Thema Desinformation verstärkt fördern. So werden wir Angebote zur Stärkung der Digital-, Daten- und Medienkompetenz vorlegen und gemeinsam mit den Konzepten zur Resilienzsteigerung in Bildungseinrichtungen erarbeiten. Um die Verbreitung radikalisierender Inhalte über das Internet zu verhindern, müssen rechtswidrige Inhalte noch schneller identifiziert und gelöscht werden. Die Urheber müssen ermittelt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.“ durch.

Ist so eine Herangehensweise einer Regierung mit den Prinzipien einer westlichen Demokratie vereinbar?

Bis auf die Tatsache, dass das Wort „Bundesregierung“ mit „Regierung“ ersetzt wurde, beinhaltet die Frage die genaue Formulierung der oben zitierten Passagen des Sicherheitsdokuments.

Antwort von ChatGPT:

Die in dem Text beschriebene Herangehensweise einer Regierung, transparente Informationen bereitzustellen, Desinformation zu bekämpfen, Forschung und Entwicklung zur Desinformation zu fördern und die Verbreitung radikalisierender Inhalte einzudämmen, kann grundsätzlich mit den Prinzipien einer westlichen Demokratie vereinbar sein.

In westlichen Demokratien werden Transparenz, Meinungsfreiheit und der Schutz vor extremistischen Inhalten als wichtige Werte angesehen. Es ist gerechtfertigt, dass Regierungen Maßnahmen ergreifen, um Desinformation entgegenzuwirken und die Bevölkerung mit verlässlichen Informationen zu versorgen. Dies kann die Stärkung der Medienkompetenz, die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen umfassen.

Die Einschränkung der Verbreitung rechtswidriger Inhalte, insbesondere von Inhalten, die zur Radikalisierung führen können, ist ebenfalls ein Ziel, das in einer westlichen Demokratie verfolgt werden kann. Regierungen haben die Verantwortung, die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Bürger zu schützen, und dies kann Maßnahmen beinhalten, um die Verbreitung schädlicher Inhalte zu unterbinden.

Allerdings ist es wichtig, dass bei der Umsetzung solcher Maßnahmen die Grundsätze der Meinungsfreiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung respektiert werden. Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation und radikalisierenden Inhalten sollten klar definiert, verhältnismäßig und transparent sein. Es ist wichtig, dass sie nicht dazu führen, dass legitime Meinungsäußerungen oder kritischer Journalismus unterdrückt werden. Zudem sollten unabhängige Überprüfungsmechanismen vorhanden sein, um Missbrauch oder politische Einflussnahme zu verhindern.

Insgesamt hängt die Vereinbarkeit einer solchen Herangehensweise mit den Prinzipien einer westlichen Demokratie von der konkreten Umsetzung und den Schutzmechanismen ab, die gewährleisten, dass die Grundrechte und demokratischen Prinzipien gewahrt bleiben.

Ich betrachte die Antwort von ChatGPT als sehr ausgewogen. Der hervorgehobene markierte Bereich hat mich positiv überrascht. Das motiviert mich für die nächste Frage.

Frage an ChatGPT:

Also bergen solche Formulierungen das Potential, missbraucht zu werden.

Antwort von ChatGPT:

Ja, es besteht immer ein Potenzial für den Missbrauch von Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation und radikalisierenden Inhalten. Regierungen könnten diese Maßnahmen dazu nutzen, legitime Kritik zu unterdrücken, die Meinungsfreiheit einzuschränken oder politische Gegner zu verfolgen.

Daher ist es wichtig, dass solche Maßnahmen mit angemessenen Schutzmechanismen versehen sind, um Missbrauch zu verhindern. Dazu gehören unabhängige Überprüfungsinstanzen, Transparenz in der Entscheidungsfindung, klare und präzise Definitionen von rechtswidrigen Inhalten sowie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Bekämpfung von schädlichen Inhalten und dem Schutz der Meinungsfreiheit.

Die Bürger müssen die Möglichkeit haben, solche Maßnahmen zu hinterfragen, ihre Auswirkungen zu beobachten und sicherzustellen, dass sie im Einklang mit den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft stehen. Eine offene und kritische öffentliche Debatte über solche Maßnahmen ist entscheidend, um sicherzustellen, dass sie nicht missbraucht werden.

Es ist auch wichtig, dass die Justiz unabhängig bleibt und die rechtsstaatlichen Prinzipien eingehalten werden, um sicherzustellen, dass nur tatsächlich rechtswidrige Inhalte ermittelt, gelöscht und strafrechtlich verfolgt werden.

Die Herausforderung besteht darin, einen angemessenen Balanceakt zwischen dem Schutz der Gesellschaft vor schädlichen Inhalten und dem Schutz der Grundrechte und demokratischen Prinzipien zu gewährleisten. Eine sorgfältige Ausgestaltung und ständige Überwachung solcher Maßnahmen sind erforderlich, um potenziellen Missbrauch zu verhindern.

Ich habe auch an dieser Antwort der generativen KI nichts auszusetzen.

Die unter Diskussion stehenden Formulierungen in dem Dokument der Nationalen Sicherheit sind legitim, solange deren Umsetzung sehr sorgfältig und ausgewogen erfolgt.

Bei dem Schlagwort Umsetzung fällt mir spontan der folgende Beitrag des Verfassungsschutzpräsidenten Herrn Thomas Haldenwang vom 20. Juni 2023 ein:

Nicht allein der Verfassungsschutz ist zuständig, Umfragewerte der AfD zu senken. Dazu haben wir keinerlei Möglichkeiten. Aber wir können die Bevölkerung wachrütteln, wir können Politiker wachrütteln. Und – ja – der Kampf für die Demokratie muss in der Gesamtgesellschaft geführt werden.

Ich führe die Diskussion mit ChatGPT fort. Dabei verwende ich die Wortwahl von Herrn Haldenwang und ersetze das Wort „AfD“ mit „einer im Bundestag sitzenden oppositionellen Partei“.

Frage an ChatGPT:

Lies dir bitte diese Äußerung genau durch: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die Umfragewerte einer im Bundestag sitzenden oppositionellen Partei zu senken. Dazu haben wir keinerlei Möglichkeiten. Aber wir können die Bevölkerung wachrütteln, wir können Politiker wachrütteln. Und – ja – der Kampf für die Demokratie muss in der Gesamtgesellschaft geführt werden.“

Ist es zulässig, dass so ein Organ wie der Verfassungsschutz so ein Statement abgibt?

Antwort von ChatGPT:

Die Äußerung, wie sie hier präsentiert wird, impliziert, dass der Verfassungsschutz Maßnahmen ergreifen könnte, um die Umfragewerte einer oppositionellen Partei zu senken und die Bevölkerung sowie Politiker zu beeinflussen. Eine solche Aussage wäre problematisch und könnte als unzulässige politische Einmischung oder Manipulation interpretiert werden.

Der Verfassungsschutz ist in der Regel dafür zuständig, die demokratische Ordnung zu schützen, extremistische Bestrebungen zu bekämpfen und Informationen über potenzielle Bedrohungen für die nationale Sicherheit zu sammeln. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes, politische Meinungen oder Umfragewerte von Parteien zu beeinflussen oder zu manipulieren.

In einer demokratischen Gesellschaft sollten Sicherheits- und Geheimdienste unparteiisch, unabhängig und transparent handeln. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Sicherheit und die demokratischen Prinzipien des Landes zu schützen, ohne sich in politische Auseinandersetzungen einzumischen.

Die Antwort ist klar und deutlich formuliert und ich habe dem nichts hinzuzufügen. Damit werfen die diskutierten Formulierungen im Dokument der Nationalen Sicherheit einen gewissen Schatten, der manch eine Erinnerung an die nicht allzu weit entfernte Vergangenheit weckt.

Man sagt: „Die Wahrheit liegt oft im Verborgenen“.

Ich stelle ChatGPT noch eine letzte Frage. Diesmal verwende ich den exakten Wortlaut von Herrn Haldenwang.

Frage an ChatGPT:

Lies dir bitte diese Äußerung genau durch: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken. Dazu haben wir keinerlei Möglichkeiten. Aber wir können die Bevölkerung wachrütteln, wir können Politiker wachrütteln. Und – ja – der Kampf für die Demokratie muss in der Gesamtgesellschaft geführt werden.“

Ist es zulässig, dass so ein Organ wie der Verfassungsschutz so ein Statement abgibt?

Antwort von ChatGPT:

Die Äußerung besagt, dass der Verfassungsschutz nicht allein dafür zuständig ist, die Umfragewerte einer bestimmten Partei zu senken, in diesem Fall der AfD. Es wird klargestellt, dass der Verfassungsschutz keine Möglichkeiten hat, dies zu tun. Stattdessen wird betont, dass die Bevölkerung und Politiker sensibilisiert werden können und dass der Kampf für die Demokratie eine gemeinsame Aufgabe der Gesamtgesellschaft ist.

Aus dieser Äußerung geht nicht hervor, dass der Verfassungsschutz konkrete Maßnahmen ergreifen will, um die Umfragewerte einer Partei zu senken. Stattdessen wird der Fokus auf die Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politiker für demokratische Werte gelegt.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genaue Kontextualisierung und Interpretation der Äußerung von Bedeutung ist. Wenn der Verfassungsschutz beispielsweise darauf abzielt, extremistische Bestrebungen oder verfassungsfeindliche Aktivitäten innerhalb einer Partei zu beobachten und offenzulegen, wäre dies im Rahmen seiner Aufgaben als Sicherheitsbehörde gerechtfertigt.

In einer Demokratie ist es wichtig, dass Sicherheitsbehörden, einschließlich des Verfassungsschutzes, ihre Aufgaben neutral und unparteiisch wahrnehmen. Sie sollten sich nicht in politische Auseinandersetzungen einmischen oder politische Parteien gezielt beeinflussen. Das oberste Ziel des Verfassungsschutzes sollte der Schutz der demokratischen Ordnung und die Sicherheit des Landes sein.

Um jedoch eine abschließende Bewertung abzugeben, müsste der genaue Kontext, die Umstände und die Absichten der Äußerung weiter geklärt werden.

Es ist bemerkenswert, wie die generative KI Ihre Meinung ändert, wenn man „eine im Bundestag sitzende oppositionelle Partei“ mit „AfD“ ersetzt. Man könnte zu der Schlussfolgerung kommen, dass ChatGPT die Kriterien einer vertrauensvollen KI gemäß der KI-Verordnung der europäischen Union bereits erfüllt.

Wie gesagt: „Die Wahrheit liegt oft in den Details verborgen“.


Quellen (Stand vom 01.09.2023)